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Verhältnisse vom 16.01.2018

Volcán Sangay (5300m): ab Guarguallá Chico

HochtourAusgezeichneter Eintrag
3 Personen
Hauptziel erreicht
ausgezeichnet
Etwa 45 Kilometer südöstlich von Riobamba überragt der Sangay als ebenmäßig geformter Vulkankegel die schier undruchdringliche, immerfeuchte Páramowildnis des nach ihm benannten Nationalparks, die Ostflanke des Vulkans fällt in den Bergregenwald des dort angrenzenden Amazonasbeckens hinab. Der Sangay gilt als der aktivste Vulkan Südamerikas und zudem als einer der aktivsten weltweit, was auf seine permanente Aktivität seit 1628 und mit einem völligen Ausbleiben von Ruhephasen begründet ist. Es sind allerdings nicht gleich die wüstesten Horrorszenarien zu befürchten, bei einer Annäherung etwa von pyroklastischen Strömen vernichtet oder von glühenden Lavabrocken erschlagen zu werden, denn bei guten Verhältnissen kann durchaus bis zum Rand des Hauptkraters und somit zum höchsten Punkt des Berges aufgestiegen werden. Allerdings sollte im Vorfeld mithilfe der Einheimischen und/oder unter http://www.igepn.edu.ec./red-de-observatorios-vulcanologicos-rovig stets abgeklärt werden, ob und wie weit aufgrund der aktuell vorherrschenden Aktivität tatsächlich vorgedrungen werden kann. Zeitenweise finden im Hauptkrater regelmäßige Explosionen statt, bei denen u.a. Gestein ausgeworfen wird, dann verbietet sich ein Gipfelgang von selbst. Auch giftige Gase können bei ungünstigen Windbedingungen eine Besteigung erschweren oder verhindern, wie einst eine Dokumentation des Bayerischen Fernsehens aus den 90er-Jahren in der Sendung "bergauf-bergab" eindrucksvoll zeigte.
Die Besteigung des Vulkans an sich ist ein Abenteuer, die Annäherung an diesen ein weiteres. Dass die Erstbesteiger zum damaligen Anlaß 18 Tage im Dauerregen zugebracht haben sollen, sollte schon entsprechendes über die den Sangay umgebende Páramo- und Regenwaldwildnis aussagen. Diese kann eigentlich nur auf den wenigen existenten Pfaden halbwegs annehmbar überwunden werden. Es existieren zwei Hauptrouten: die eine beginnt in Alao, die andere in Guarguallá Chico, beide führen durch sogeanntes Páramo, eine besonders dicht- und hochwachsende südamerikanische Graslandform. Von Guarguallá Chico aus ist der Einsatz von Transportpferden möglich, sodass bei entsprechender Fitness und einigermaßen günstigen Bedingungen das Basislager "La Playa" in zwei langen und mühevollen Trekkingtagen erreicht werden kann. Für den Rückweg sind dann ebenfalls zwei Tage zu veranschlagen.
Das Schuhwerk bis La Playa werden Gummistiefel sein, die Bergstiefel sollen erst am Gipfeltag zum Einsatz kommen. Gutes Regenzeug ist ohnehin obligatorisch. Da nach ergiebigeren Niederschlägen die vielen Flußdurchquerungen heikel werden können, sollten Trekkingstöcke mit auf den Weg gehen, sowie ein Seil, um durch eventuell gefährlich reissende Strömung hindurch zum anderen Ufer hin zu sichern. Ebenso unverzichtbar ist ein Helm, denn spätestens ab dem Nachmittag wird die Aufstiegsflanke steinschlagtückisch. Ob die Steine durch aufkommenden Wind oder durch winzige seismische Erschütterungen ausgelöst werden, ist unklar. Vorbedingung ist jedenfalls die Aufweichung des Permafrosts durch tageszeitlich bedingt ansteigende Temperaturen.
Der Einsatz von Steigeisen und Pickel wird abhängig von den am Besteigungstag herrschenden Verhältnissen, beides geht also mit auf den Weg ins Basislager. Seit einer grösseren Ascheeruption im Jahr 2015 ist das Gletschereis komplett mit Aschesand bedeckt. Bei optimalen Bedingungen kann man daher auch versuchen, es den alteingesessenen Führern gleichzutun, und mit Gummistiefeln bis zum Gipfel durchzusteigen.
Auf Plazapamba existiert jediglich ein Unterstand, der zum Kochen im Trockenen benutzt werden kann. Die einstige Hütte auf La Playa ist zwischenzeitlich verfallen. Die Mitnahme von Zelten ist insofern unabdingbar. Kocher, Gas und Geschirr können entweder selbst mitgebracht, oder in Guarguallá Chico angemietet werden. Auch steht einem frei, ob ein Koch aus Guarguallá Chico engagiert wird, oder ob man selbst kocht. Verpflegung ist vollumfänglich aus Riobamba mitzubringen, und zwar auch für die Begleitmannschaft. Sämtliches Gepäck sollte wasserdicht verpackt werden (z.B. Plastik-Müllsäcke).
Da man sich ständig in intimem Kontakt mit der Botanik befindet, insbesondere in der zweiten Etappe von Plazapamba nach La Playa, sollten Handschuhe getragen und auf das Gesicht aufgepasst werden, denn manche Blätter schneiden.
Dass man unterwegs eines der hier vorkommenden Tiere wie Tapir , Puma oder Wolf sehen wird, ist aufgrund der hochgewachsenen und überaus dichten Vegetation ziemlich unwahrscheinlich. Ein Angriff dieser Tiere auf den Menschen ist allerdings noch viel unwahrscheinlicher.
Guarguallá Chico ist eine winzige Indigena-Comunidad mit etwa 180 Einwohnern, die untereindander teils noch Kitschua sprechen. Das niedliche Streudorf befindet sich auf etwa 3400 m Höhe abgelegen in einem wunderschönen Tal. Die Befahrung der Piste von der Asphaltstrasse bis zur Ortschaft mit einem geländegängigen Fahrzeug nimmt mindestens eine Stunde in Anspruch. Eine weitere Stunde hat man bereits von Riobamba kommend bis zum Beginn der Piste zurückgelegt. Die Bewohner von Guarguallá Chico zeigen sich gegenüber den fremdenBesuchern äusserst freundlich. Fast immer wird einem zum Gruss die Hand gereicht. Im Dorf befindet sich eine sehr gut eingerichtete und gepflegte Lodge mit Übernachtungs- und Kochmöglichkeit. Man kann hier auch längere Zeit verbringen. Es werden u.a. geführte Wanderungen und Reitausflüge angeboten. So oder so empfiehlt es sich, bei der Ankunft die erste Nacht und möglicherweise die Nacht nach der Rückkehr in der Lodge zu verbringen.
Hier der Link zur Webseite, über die auch der Kontakt mit den Leuten von Guarguallá Chico hergestellt werden kann (Koordinator: Anibal Tenemasa):
http://www.guargualla-sangay.com/espaol/guargualla-chico/index.html


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Der Sangay wurde von uns am 31.12.2017 bestiegen. Wenn man sich zuvor mit den zu erwartenden Konditionen am Sangay beschäftigt hat, wird man die Aussage treffen können, dass wir während unserer fünftägigen Unternehmung ausgezeichnete Verhältnisse vorgefunden haben. Dass es in der äussersten Ostkordilleren, an der Vegetationsgrenze von Páramo zum Regenwald Nachmittags und auch nachts praktisch regelmäßig zu Niederschlägen kommt, sollte als genauso selbstverständlich genommen werden, wie die Beschwerlichkeiten des "Weges", oder die Tatsache, dass man sich spätestens auf dem Gipfelplateau an unzähligen, nach Schwefel stinkenden, heiss dampfenden Fumarolen vorbeibewegt, die einem das Gefühl vermitteln, dass dieser Berg lebt und wir seinem Gutdünken voll und ganz ergeben sind.
Insgesamt ist die Besteigung des Sangay ein eindrückliches und unvergessliches Abenteuer - und die wahren Abenteuer sind oft die, über die man hinterher erst richtig lachen kann ;-). Ein paar Episoden aus dem Tourenlogbuch sollen hier geschildet sein:
Im Basislager La Playa angekommen, stelle ich zu meinem Entsetzen fest, dass meine Bergstiefel versehentlich in Guarguallá Chico verblieben sind. Kurzerhand beschliesse ich, es unserem 66-jährigen, alterfahrenen Führer Fabián gleichzutun, und den Sangay per Gummistiefel zu besteigen. Am Abend zuvor konnte ich noch zuschauen, wie Fabián dabei war, die Steigeisen auf seine Gummistiefel einzustellen. Glücklicherweise blieb mir aufgrund der wirklich hervorragenden Verhältnisse am Berg die zweifelhafte Erfahrung Steigeisen auf Gummistiefel erspart ;-) ... eines der Packpferde stürzt einen matschigen Steilhang hinab , was eine spektakuläre Bergeaktion zur Folge hat ... wegen der Nässe funktionieren die Feuerzeuge vorübergehend nicht mehr, und es sieht zunächst ganz danach aus, als bliebe die Küche für den Rest der Tour kalt ... mein neues Zelt zeigt sich nicht wasserdicht genug, im Gegensatz zu meinem alten Schlafsack, der wenigstens innen trocken bleibt ... nach einer kalten Nacht auf La Playa sind die zum Trocknen aufgehängten Ponchos und Kleidungsstücke nicht trocken, sondern steifgefroren ... die Abgeschiedenheit, natürlich ganz ohne Natelempfang, verlangt also absolute Autarkie der Gruppe!
Wir erreichten den Gipfel des Sangay am 31.12.2017 um 12.30 h nach einem fast 9-stündigen Aufstieg. Ein weiteres Kuriosum: der Berg scheint gewachsen zu sein. Gemäss geläufiger Angaben misst der Sangay 5230 m, unsere beiden GPS-Geräte (eines davon für drei Satellitensysteme empfänglich) zeigten aber 5300 m. Wir erklären uns das Phänomen folgendermassen: derart aktive Vulkane befinden sich aufgrund ständiger Explosionen und Auswürfe im Aufbau. Der Grossteil des Zuwachses dürfte von den heftigen Ascheauswürfen im Jahr 2015 her rühren. Weit im Osten des Hauptkraters, über den Abhängen gen Amazonien, konnten wir ganz kurz einen weiteren Punkt erspähen, der wenige Sekunden danach vom Nebel verschluckt wurde. Ob dieser in etwa gleich hoch, oder wenig niedriger ist als unser Gipfel, vermögen wir nicht zu sagen, wir schliessen auch nicht ganz aus, dass dieser ein klein wenig höher sein könnte.
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Routeninformationen

Volcán Sangay (5300m)

ab Guarguallá Chico
Zustieg:

1. Etappe: Guarguallá Chico - Lagerplatz Plazapamba (ca. 3550 m) 23 km, 8 - 10 Std.

Der erste Teil des Weges führt überwiegend durch Weideland, ganz zu Beginn erspähen wir auch noch ein paar in Steilhängen verstreute Äcker. Ab der sogenannten "Escalera" ("Treppe") geht es mittels eines kräftigen Anstieges endgültig in die Wildnis hinein.Die Pfadkonditionen werden härter, über längere Zeit hinweg bewegt man sich auf Höhen um die 4000 m. Diese lange Etappe kann am Fusse der Escalera unterbrochen werden, wo sich ein geeigneter Lagerplatz befindet. In diesem Fall verlängert sich die Gesamtdauer der Tour von 5 auf 6 Tage.

2. Etappe: Plazapamba - La Playa (Basislager, 3600 m) 12 km, 7 - 8 Std. Durchgehend harte Wegkonditionen, die Vegetation nimmt an Dichte und Üppigkeit zu, ein echtes Regenwalderlebnis! Die Lavaflüsse des Vulkans haben hier ein faszinierendes Labyrinth aus durch schmale Bergrippen getrennte Tälerverschachtelungen geschaffen. Unser Pfad verläuft dabei meistens über die Bergrippen hinweg.

3. Etappe: Gipfelaufstieg ca. 9 Std. und 1700 hm im Aufstieg, 3 - 5 Std. im Abstieg.
Wir haben die Wahl, die SW-Flanke des Berges, über welche wir aufsteigen werden, entweder durch eine Klamm hindurch, oder über eine weiterhin mit Vegetation bewachsene Bergrippe zu erreichen Die Begehung der Klamm erfordert Klettern II in teils feuchtem und brüchigem Fels. Schwieriger, aber auch spannender, als die Bergrippe. Wir steigen die mit sandiger Vulkanasche bedeckte SW-Flanke bis zum Gipfelplateau hinauf (ca. 5180 m, bis dorthin Steilheit bis ca. 40 Grad, je nachdem auch mit Schnee und Vereisungen). Linkerhand befindet sich Krater I. Wir gehen weiter nach rechts, Nordost, passieren dabei mehrere Fumarolen und erreichen Krater II. Weiter ansteigend nach NO kommen wir auf den Rand des Hauptkraters mit dem vermutlich höchsten Punkt.

Abstieg wie Aufstieg. Bei guten Verhältnissen kann zügig und einfach durch den Vulkansand heruntergerannt werden.

4. Etappe: La Playa - Plazapamba

5. Etappe: Plazapamba - Guarguallá Chico

Als Literaturempfehlung sei auf Günter Schmudlachs Bergführer "Ecuador" verwiesen, erschienen im Panico-Verlag. Auch wenn das Buch nur die Route von Alao her beschreibt, enthält es essenzielle Informationen zu Gebiet, Ausrüstung, Wetter, etc. Ohnehin ist dieser Führer ein Muss für alle, die zum Bergsteigen, Wandern oder Trekking nach Ecuador reisen. Die Fülle an zusammemgetragenen Tourenmöglichkeiten ist lobenswert!
Letzte Änderung: 16.01.2018, 18:19Aufrufe: 3279 mal angezeigt

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Volcán Sangay (5300m)

ab Guarguallá Chico


Hochtour

WS -

1700 hm

9.0 h

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