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HochtourSehr guter EintragMit GPS-Track
1 Person
max. 5 Personen
auf gleicher Route
Hauptziel erreicht
ausgezeichnet
Oben: kein
Unten: kein
Ich möchte meine Grat Tour der Piz Fier Überschreitung vom 31.07.25, wo ich auch Zeitnot den Monte Saliente auslassen musste, fortführen.

Ein Glück, dass ich es damals auf dem Grat bei P2991 um 20:00 nicht trotzdem durchgezogen hatte. Ich wäre da nicht nur aus Zeitgründen, sondern auch aus mentalen Gründen nicht lebend herausgekommen.

Der S-Grat, resp. die Normalroute mit Pfad und Steinmänner wurde auf Hiker schon beschrieben. Doch von einer Besteigung vom N-Grat ist Neuland, was ich nun mit diesem Bericht ändern möchte.

Eines vorweg: Man kämpft auf dem N-Grat in diesen 1.45 Std. nicht nur um jeden Meter, sondern auch um sein Leben.

Im alten und neuen SAC-Tourenführer wird der N-Grat, ausser einem kurzen Kriechband am zweiten Gratturm, als einfach angegeben. Die vier scharfen Grattürme können alle auf der Ostseite umgangen werden. Ausser der neue SAC-Tourenführer bewertet diese Tour als "S", obwohl der Text 1:1 vom alten Führer übernommen wurde. Also im Text wird es als einfach und in der Bewertung als schwierig angegeben: Paradoxer kann man einen Führer auch nicht schreiben...

Soviel zur Theorie, nun zur Praxis:

Dank der Flexibilität der italienischen ÖV hat mich der Silvestri-Bus Chauffeur, wie schon letztes Mal, auf Anfrage direkt bei der Ponte Viera aussteigen.

Ich wähle hier den oberen Wanderweg in das Val Viera bis P1874, wo aktuell ein Schild steht, dass der Wanderweg gesperrt ist. Warum dieser nicht schon weiter unten bei P1853 stand ist mir unlogisch! Umkehren lag aufgrund des späten Aufbruchs (10:00 Uhr) sowieso nicht mehr drin. Somit gehe ich mit guter Hoffnung einfach mal schauen. Kurz nach dem Verbotsschild stehe ich schon vor einem Murgangs Abgrund. Über sehr steilem Gelände geht's auf erdiges Terrain über grosse geschliffene Steine kletternd hinab und sehr rutschig wieder zum abgebrochenen Wanderweg hoch (T5, II). Kurz danach kam bereits ein weiterer Abbruch, wo der Wiederaufstieg schwieriger war. Die Hoffnung das Übelste gemeistert zu haben hielt nicht lange, denn der Wanderweg befindet sich in einem sehr schlechten Zustand. Die westliche seitliche Lage war von etlichen Geröllrutsche und Murgänge unterbrochen. Mal Fussbreit, mal gar nicht, mal in die Höhe ausweichend, stets wird man konfrontiert wie es weiter gehen soll. Es sieht aus, als sei hier von allen Seiten etliches hinabgekommen. Das fängt ja schon gut an. Das ganze ist sehr zeitraubend. Deswegen ist aktuell hier ein Aufstieg auf dem Wanderweg der Verbotstafel Folge zu leisten.
Wenn es unbedingt sein muss, dann soll man lieber von Anfang an am Talboden bleiben und dort am Bach entlang hochlaufen.
Erst ab der kleinen Ruine "Baita del Cantone" (P2121) ist der Wanderweg wieder intakt.

Nun auf dem Wanderweg via einen schönen Wasserfall steil hoch. Bei den vielen Bächen verlasse ich den Wanderweg und steige nach NE. Zuerst über Wiese, dann auf festem Geröll und nach dem letzten Bach nach SW sehr steil und mühsam auf erdigen losen Kies. Hier sind die erdigen Flecken zu bevorzugen. Zuletzt geben die Felsen etwas mehr halt. Auf dem Grat komme ich unmittelbar bei P2931 an. Ab da geht es über Schutt rutschig hoch bis östlich von P2991. Hier hatte ich die Gratüberschreitung am 31.07.25 abgebrochen gehabt. Hier höchste Zeit für den Schuhwechsel.

Erster Turm:
Den Fels Turm P2991 (dieser Turm wird hier nicht mit einberechnet, da dieser P2991 ist) umgehe ich in der Ostflanke scharf und steil am besten direkt unter den Felsen traversierend zu einem Sattel nördlich von P2991. Nun zuerst im Gehgelände direkt auf dem Grat bis zu einem senkrechten überhängenden Abbruch, wo es rund 10 Meter hinab zu einem winzigen Sattel geht, von wo auf der anderen Seite der erste Turm steht (T5, I). Hier stehe die definitiv bei der ersten Schlüsselstelle. Diese umgehe ich östlich des Grats. Stark abschüssig klettere ich hier hinab auf kiesbeladene Felsen bis zu einem kleinen Kriechband, der zu einem Couloir führt, der sich zu diesem winzigen Sattel hochzieht. Ich getraue mich hier nicht auf dem Bauch hinüber zu kriechen. Auch hätte ich hier aufgrund der winzigen Höhe den Rucksack vor mich hinschieben sollen. Zweifel kommen hoch, ob ich hier umkehren soll. Da ich auf der anderen Seite bei der E-Flanke durchgehendes Abstiegsgelände sehe, riskiere ich es trotzdem. Ich packe meine Not-Reep Schnur aus, hoffe, dass der kleine Fels, wo ich das Seil dran mache, mich hält, und lasse mich hier ungern nur mit den Händen rund 3 Meter senkrecht hinab (T6+, III). Im Couloir steige ich nicht zum winzigen Sattel hoch. Zu gross ist die Angst dort in die gähnende Tiefe der W-Wand zu blicken und auf dem anspruchsvollen Grat keinen direkten Durchschlupf auf den Turm zu finden. Zudem sieht diese Stelle von weitem so aus, als könnte hinter dem Turm wieder senkrecht hinab gehen… Auch möchte ich dieses sehr steile und rutschige Couloir von oben nicht wieder hinab steigen müssen. Somit bleibt mir nur noch diese abschüssige E-Seite weiter zu traversieren.

Zweiter Turm:
Von diesem Couloir unterhalb des winzigen Sattels, der gleich nach dem ersten Turm liegt, traversiere ich auf leiser Sohle die Felsen auf einem winzigen kiesigen Band einer Schuhgrössenbreite und versuche mit den Händen oben etwas festbares zu greifen. Da ich auf der gegenüberliegenden Seite beim dritten Turm, eine Notabstiegsrinne nach Osten sehe, zieht es mich doch noch mit etwas Überwindung diese schwierige Stelle in Angriff zu nehmen. Doch diese weitere Traverse gestaltet sich als sehr mühselig. Jede Belastung muss zwei Mal geprüft werden, jeder Schritt muss sitzen, da sind nun schon wieder keine Fehler mehr erlaubt, denn sonst schlittere ich senkrecht die E-Wand hinab in den Tod. Mental hat es hier alles abverlangt, denn bei jeder dritten Belastung bricht mir der Felsen in die gähnende Leere. Was für eine Sche....! Zum zweiten Mal frage ich mich: Soll ich doch noch umkehren? Doch diese heikle Traverse hat es in sich und ich wollte sie nicht mehr zurück gehen. Im Notfall ja, aber jetzt nicht. Oder war ich schon in einem Notfall? Egal, ich vergesse es einfach einmal und klettere mühselig mit etwas wackligen Beinen hoch über rutschige Felsen zum zweiten Turm.

Dritter Turm:
Kurz auf dem zweiten Turm angekommen stehe ich schon wieder vor einer ca. 3 Meter senkrechten Wand, diese jedoch wenigstens mit ein paar Griffen. Diese klettere ich vorsichtig hinab zu einem kleinen Sattel. (T6, III). Nun auf dem Grat in rund eine Minute im Gehgelände unschwierig zum Sattel, der vor dem dritten Turm steht. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder klettere ich sehr anspruchsvoll (III+) direkt auf dem Grat hoch zum Turm oder ich wähle östlich einer sehr steilen und klar erkennbaren Rinne in einem Felsspalt, bei der jedoch der weitere Wegverlauf nicht ersichtlich ist (T6, II).
Ich wähle die zweite Variante und traversiere wieder stark abschüssige Felsen auf leiser Sohle (solange ich noch Gummi an den Sohlen habe geht das) zur Rinne und steige diese breitbeinig, als hätte ich in den Hosen gemacht, nicht allzu schwierig hoch (T6, II). Zuoberst die grosse Enttäuschung: Hier gibt es definitiv keinen Durchschlupf. Zum dritten Mal taucht in mir die Frage auf: Soll ich nun endgültig umdrehen und all das mühsame wieder zurückkehren? Doch bevor ich wieder die Rinne breitbeinig hinabklettere um die erste Variante zu versuchen, sehe ich, dass die nördliche senkrechte Wand direkt zum dritten Turm hochführen würde. Mit einem Fuss auf dem Block des östlichen Felsspalts und mit dem anderen Fuss auf der nördlichen Felswand klettere ich rund 2 Meter leicht überhängend eine sehr schwierige Passage, wo ich mit den Händen oben nicht direkt einen Felsen halten kann. Nun heisst es alles oder nichts. Ich muss das Ganze mit Schwung probieren und nicht nur hoffen, dass ich den Felsen mit den Händen halten kann, sondern auch, dass der Fels überhaupt hält. Optisch sah der Fels stabil aus. Aber hier oben trügt vieles… Ich riskiere es, komme mit der Hand knapp zur Felswand hoch und kann sie gerade noch halten (T6+, IV). Wenn meine Finger nur 1 cm kürzer gewesen wären, hätte ich da keine Change gehabt. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass ich für diese Stelle etwas zu viel riskiert habe… Ich hätte die Rinne absteigen sollen und doch lieber die erste Variante probieren sollen.
Ich klettere diesen dritten Turm hoch und fange schon langsam an zu beten, dass ich die letzten zwei Türme auch noch irgendwie schaffen werde. Denn schliesslich ist der Monte Saliente nun wirklich nicht mehr weit.

Vierter Turm:
Ich folge den Grat über Schutt hinab zu einem weiteren Sattel und stehe vor dem vierten Turm, bei dem der direkte Gratanstieg unmöglich ist. Einzig östlich unter dem Grat zeigt sich eine sehr abschüssige steile schuttige Rinne den weiteren möglichen Wegverlauf auf. Ich steige diese hoch und umgehe so stark abschüssig auf losem Schutt den vierten Turm (T6, II).

Fünfter Turm:
Nun steht der Monte Saliente zum Greifen nah. Ich bleibe auf der E-Seite und steige über verschiedene Bänder zu einem fünften Turm hoch (T5, I).

Monte Saliente:
Nun klettere ich durch einen markanten Felsspalt hinab zu einem Sattel, wo ich zum ersten Mal auf dem Grat einen Steinmann sehe, der von Süden, resp. von der Normalroute hochkommt (T5, I+). Endlich bin ich wieder auf einen sicheren Weg! Ich habe noch nie so viel Freude für einen Steinmann verspürt, denn nun weiss ich, dass ich den N-Grat gemeistert habe. Voller Motivation steige ich die letzten Meter schon fast fliegend auf der normalen Route, die mit unzähligen Steinmänner versehen sind, durch einen nördlichen schrägen Kamin hoch (T5, I+) zum Monte Saliente mit Gipfelkreuz und Gipfelbuch! Nicht nur innerlich, sondern auch äusserlich schien nun die Sonne wieder viel stärker.

Ich geniesse die vollendete Leistung mit einem späten Mittagsessen auf dem Gipfel und kann mich vor lauter Freude diesen Platz fast nicht mehr verlassen.

Abstieg S-Grat (T5, II):
Nach einer halben Stunde packe ich alles zusammen, kehre kurz wieder nach W zurück auf der Aufstiegsroute und steige auf einem klar erkennbaren Pfad den Steinmänner nach zu einer kurzen Stelle, wo ich kurz hinabspringen muss. Nun weiter eine grosse und breite schuttige Rinne hinab, dann einfach kurz in die E-Flanke traversieren und ein schuttiges Band unschwierig hinab zu P2909.
Zuletzt einfach über Kies hinabrutschend bis zur Fuorcla Trupchun (P2780). Hier Schuhwechsel und einfach über dem Wanderweg hinab schlängelt durch das Valle del Saliente bis in die Überzivilisation von Livigno.

1.40 Std. Baita del Cantone (P2121)
3.15 Std. P2931
5 Std. Monte Saliente
6 Std. Fuorcla Trupchun
8 Std. Livigno
Auf dem N-Grat des Monte Saliente habe ich ganze drei Mal ans Aufgeben gedacht. Kein gutes Zeichen und ich gebe zu, dass dieser Übergang für mich keine Genuss-, sondern eher eine Leistungstour war. Für den dritten Turm bin ich zu viel Risiko eingegangen. Es gibt Routen, die man im Leben nur einmal macht. Dieser N-Grat wäre so eine...

Ich kann den N-Grat eigentlich niemandem empfehlen. Falls sich da doch jemand doch mal gerne verirren möchte, muss diese Person wissen, dass der Grat ganze fünf sehr anspruchsvolle Türme aufweist, die aufgrund des abschüssigen Geländes sehr schwierig zu überwinden sind.

Mit nur einem verstauten Finger bin ich heute ziemlich glimpflich aus dieser Sache herausgekommen.

Ausnahmsweise bin ich nun für die Regeneration froh um die kommende Schlechtwetterfront.

Livigno soll unbedingt nicht nur in den Shops, sondern auch in den umliegenden Wanderwege investieren!

Schon lustig, dass die Leute in Livigno immer etwas kaufen müssen. Überkonsum lässt grüssen…
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Letzte Änderung: 09.09.2025, 20:00Aufrufe: 881 mal angezeigt

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Kartenmaterial

Kartenmaterial Ergänzend:

LKS 1:25:000, Bl. 1238, P. Quattervals bzw. https://map.geo.admin.ch
Tabacco-069-1:25.000, Livigno-Bormio-Val Viola,LKS 1:25:000, Bl. 1238, P. Quattervals bzw. https://map.geo.admin.ch
Tabacco-069-1:25.000, Livigno-Bormio-Val Viola

Lawinenrisiko-Indikator (Prognose)

Lawinenprognose

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Monte Saliente (3048m)

Monte Saliente Überschreitung von N- nach S

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