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Helvetic Backcountry30.11.2022

Interview mit Nicolas Fojtu und Markus von Glasenapp von HELVETIC BACKCOUNTRY

Vor rund 10 Jahren haben Markus von Glasenapp und Nicolas Fojtu das mittlerweile als Standardwerk etablierte Werk SKI & SNOWBOARD TOURENATLAS SCHWEIZ herausgegeben. Sehr ungewöhnlich ist, dass sie dabei alle Tätigkeiten von der Recherche bis zum Vertrieb in Eigenregie umsetzen. Wir wollten von ihnen wissen, wie es denn heute um das Buch und um die beiden Autoren steht.

Gipfelbuch.ch: Vor bald 10 Jahren habt ihr euer Lebenswerk publiziert. Darf ich das so nennen oder ist das übertrieben?

Nicolas: Das darfst du ungeniert so nennen. Es trifft den Nagel exakt auf den Kopf.


Lebenswerke gibt es bekanntlich nur eines pro Leben. Oder seid ihr dran, eine zweite Version vom Tourenatlas, vielleicht mit 30 neuen Regionen zu machen?

Markus: Der Gedanke daran schwebt natürlich immer im Kopf, besonders wenn man mal wieder eine neue Region entdeckt hat. In der Schweiz allerdings wäre es fast schwierig nochmal 30 Regionen zu beschreiben in dem Umfang wie im Tourenatlas. Interessieren würde mich ein Buch für die Ostalpen, also Österreich, Deutschland, Südtirol zu machen, mit einem ähnlichen Konzept. Immer wenn ich da unterwegs bin mache ich auch immer Bilder, aber dann fehlt einem doch schlichtweg die Zeit um nochmal so ein Mammutprojekt anzugehen. Vielleicht irgendwann mal noch...

Sind Bücher in der heutigen Zeit überhaupt noch gefragt? Wie läuft der Verkauf vom Tourenatlas?

Nicolas: Es läuft sehr gut. Das allgemeine Bedürfnis nach Outdoor-Sport hat sich in den beiden Corona-Jahren stark gesteigert. Das hatte dazu geführt, dass wir es nur mit Ach und Krach geschafft hatten, unsere Lager nicht austrocknen zu lassen. Erschwerend war für uns, und viele andere Verlage auch, dass die Papier-Lieferketten stark von der Pandemie gestört wurden. Die Wartezeiten für Spezialpapiere, wie wir es z.B. in dem Tourenatlas beiliegenden Landkarten verwenden, verdoppelte oder verdreifachen sich.


Ist das nicht überraschend, dass ein Produkt aus Papier so gut läuft. Gerade heute, wo so viele Routen gratis mit dem Smartphone heruntergeladen werden können?

Nicolas: Ja, für uns war das auch überraschend, aber aus heutiger Sicht eigentlich auch logisch: Wir starren den ganzen Tag in die Screens von unseren Smartphones, Computer, Velos usw. Das Verlangen nach einem Rückzug in eine entschleunigte Welt, die frei von digitalen Unterbrechungen ist, dem Druck, den Akku zu laden und Bilder für die sozialen Medien zu machen, ist gross. Die Berge können genau das bieten, vorausgesetzt, man lässt die digitalen Störenfriede auch ausgeschaltet und nimmt stattdessen Papier in die Hand.

Welche Rolle spielten eigentlich Gipfelbuch.ch und die Einträge darin für die Produktion eures Buches?

Nicolas: Markus und ich hatten im Jahr 2003 angefangen, für unser erstes Buch HELVETIC BACKCOUNTRY zu recherchieren. Damals gab es noch kein digitales Gipfelbuch und auch keine Smartphones mit Kameras. Papierkarten und das gesprochene Lawinenbulletin über die Tel-Nr. 165 waren damals sehr wichtige Informationsquellen, wenn wir unterwegs waren. Wenn ich mich recht erinnere, gab es damals ein paar wenige Texteinträge auf verschiedenen Blogs. Es galt, die Wetterkarten zu studieren und dann hin zu fahren. Der grösste Game Changer waren aus meiner Sicht sicherlich die unzähligen Fotografien, die mit der Entwicklung der Smartphones so ab ca. 2008 von immer mehr Tourengänger auf gipfelbuch.ch ins Netz gestellt wurden. Diese halfen uns bei den Recherchen und der Produktionsplanung sehr.


Markus, du hast vor rund fünf Jahren der Schweiz den Rücken gekehrt und bist in dein Geburtsland nach München gezogen. Hattest du genug von der Schweiz?

Markus: Das kann man so nicht sagen, aber irgendwie war meiner Frau und mir mal nach einem Tapetenwechsel. Auch was Skitouren angeht, ist es schön die Ostalpen zu erkunden. Wobei ich nach 4 Jahren in München doch feststellen musste, dass die Schweizer Berge irgendwie schon mehr hergeben. Die Westalpen sind halt auch einfach ein Stückchen höher.

In deinen 20ern und 30ern warst du sehr viel unterwegs in den Bergen – natürlich auch für die Recherchen, die sich im Tourenatlas wiederfinden. Wie ist das heute? Findest du neben deiner Arbeit noch genügend Zeit in die Berge zu fahren?

Markus: Meine Begeisterung für Berge im Sommer und Winter ist nach wie vor sehr gross. Natürlich habe ich nicht mehr so viel Zeit wie zu Studentenzeiten, oder mit einem 80% Job. Aber durch die neue Flexibilität in der Arbeitswelt ist eher wieder mehr möglich als vorher. Den ganzen ersten Corona-Winter haben wir in unserer Bündner Ferienwohnung verbracht, da haben wir insgesamt 65 Skitouren gemacht, also wenn man die kurzen vor oder nach der Arbeit dazu zählt. Früher habe ich da auch nicht mehr geschafft. Was mir jedoch die größte Freude ist, sind Skitouren-Reisen. Mein Ziel ist es in jedem Gebirge Europas Skitouren zu gehen. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel in den Abruzzen in der Nähe von Rom. Im kommenden Winter habe ich vor über Land nach Georgien zu fahren und überall auf dem Weg Skitouren zu machen. Also Karpaten in Rumänien, Rila Gebirge in Bulgarien, Zentralanatolien und Kackar in der Türkei und am Ende in den hohen Kaukasus.

Und du Nicolas, gehst du noch viel auf Skitouren?

Nicolas: Nein, nur noch sehr wenig. Ich habe zwei wunderbare Söhne im Alter von 4 und 7. Das gibt viel zu tun, und so haben sich die Prioritäten in meinem Leben verschoben. «Weniger ist mehr» beschreibt es wohl am besten. Die neben der Familie verbleibende Energie will gut eingesetzt sein. So habe ich viel Freude gefunden am Powdersurfen. Dies kann ich an irgendwelchen Hängen praktizieren, auch in Zürich! Vielleicht schreibe ich dann mal ein Buch: «Die besten Powdersurf-Spots in der Schweiz!» (lacht).


Wie macht ihr das eigentlich: kontrolliert ihr regelmässig die Routen in eurem Buch? Da hat sich bestimmt viel verändert, auch im Bezug auf den Klimawandel?

Markus: Wir kontrollieren die Routen, Infos zu Unterkünften und Hütten, als auch die Wildschutzgebiete, ob sich etwas geändert hat. So viel ändert sich jedoch erfahrungsgemäß nicht, die Berge bleiben ja sowieso gleich. Wenn man dann jedoch hört, dass zum Beispiel die Mutthornhütte wegen instabilem Baugrund bis auf weiteres geschlossen bleibt, was übrigens erst nach der Neuauflage aktuell wurde, also im aktuellen Tourenatlas deshalb leider nicht berücksichtigt werden konnte, dann kann man sich doch vorstellen, dass da einiges auf uns zukommen könnte an Veränderungen. Was sich natürlich schon seit längerem abzeichnet, sind die zunehmenden Schwankungen und Extremereignisse. Da schneit es wie verrückt ein paar Tage, und wird danach sofort richtig warm, oder es gibt diese ewig lange dauernden Hochdruckphasen, in denen kein bisschen Neuschnee fällt und sich die Schneedecke immer weiter aufbauend umwandelt, was dann immer zu einem Altschneeproblem führt. Insgesamt aber muss man sagen, hatten wir auch in der Zeit, in der wir die ganzen Touren für das Buch gemacht haben, immer wieder lange Phasen mit grottenschlechten Schneeverhältnissen.

Wie seht ihr die Zukunft vom Skitouren? Welcher Einfluss hat der Klimawandel auf den ganzen Sport?

Markus: Ich glaube, Skitouren wird man immer machen können, aber ich vermute, man muss flexibler werden und dann zuschlagen, wenn es gerade gut ist. Für Touren in niedrigen Lagen wird das umso mehr gelten. Ich war neulich in einer Ausstellung in Brig über den Aletschgletscher und dessen Abschmelzen in verschiedenen Temperatur-Szenarien. Selbst für das 2 °C Szenario, welches ja fraglich ist, ob man das überhaupt schafft, werde ich noch beobachten können, dass sich statt des Gletschers grosse Seen bilden, fast bis zum Konkordiaplatz hinauf. Das sind natürlich gewaltige Veränderungen der Berglandschaft, die schon betroffen machen.

Gipfelbuch.ch bedankt sich bei Nicolas und Markus für dieses Interview und die Zusammenarbeit.


SKI & SNOWBOARD TOURENATLAS SCHWEIZ

  • 30 Tourengebiete mit 1000 Routen auf 400 Gipfel in den Schweizer Alpen
  • Edle Papier- und Druckqualität: 384 Buchseiten inkl. 30 Skitouren-Karten und Box
  • Verlag Fojtu & von Glasenapp, Zürich — 5. Auflage 2022, ISBN 978-3-033-04116-5

Bestellen auf www.helveticbackcountry.ch
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In diesem Buch und den dazugehörigen Karten stecken über 10 Jahre intensive Skitouren-Recherche. Mit einer Unmenge Herzblut und Schweiss haben Markus und Nicolas geschafft, was sie sich immer erträumten: Eine wertvolle, detailreiche Sammlung der besten Splitboard- und Skitouren-Regionen in den Schweizer Alpen.

Entstanden ist ein umfassendes Werk für alle, die unberührte Tiefschneehänge in der wilden Natur suchen.

  • Mehr als 1000 Routen in allen Steilheiten und Längen auf 400 Schweizer Gipfel umfasst der Tourenatlas. Er inspiriert die Schweiz zu bereisen und neue Gebiete zu entdecken.
  • Die grafisch clever aufbereiteten Informationen erleichtern es, Splitboard- und Skitouren vollumfänglich planen zu können und den Bedingungen anzupassen.
  • Je nach Vorlieben, Schneebedingungen und Wetter finden sich im Tourenatlas einfache Voralpengipfel, vergletscherte 4000er, steile Couloirs, aber auch gemütliche Hüttentouren und offene Hänge..
  • Die einleitenden Kapitel liefern wertvolles Basiswissen zum Tourengehen, grossformatige Fotografien erzählen Geschichten, Infografiken und Illustrationen liefern kompakte Informationen und die Karten zum Mitnehmen beschreiben detailgetreu alle Routenverläufe und Schlüsselstellen..